Börsenmillionärin: Mit dieser Strategie wurde Beate Sander (81) zur Selfmade-Millionärin

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Frau Sander startete ihre Börsenkarriere mit 30.000 D-Mark (15.000 Euro) und ist heute Millionärin, wohl der Traum eines jeden Anlegers. Wie es dazu kam, erfahren Sie in diesem Interview.

Frau Sander, könnten Sie kurz einen Abriss Ihrer Börsenkarriere geben?Wie kamen Sie zur Börse und wann kauften Sie Ihre erste Aktie?

Beate Sander: Als Realschul-Wirtschaftslehrerin und  Schulbuchautorin „Wirtschaft und Recht mit Spannung und Spaß“ wurde ich Ende der 1990er-Jahre, als der Neue Markt boomte, von meinem Schulleiter um eine wöchentlich zweistündige Börsen-Arbeitsgemeinschaft gebeten. So fing alles an. Beim Börsengang der Deutschen Telekom stieg ich mit meiner ersten Aktie ein. Zuvor hatte ich gar kein Geld. Ich erbte nichts, hatte meine Eltern mit zu unterstützen, das Reihenhaus in Ulm mit abzuzahlen und die Universitätsausbildung meiner beiden Kinder zu finanzieren. Es gab weder Kindergeld, noch Elternzeit, noch Bauzuschüsse.

Wie ich Ihrem Buch „Der Aktien- und Börsenführerschein, Aktien statt Sparbuch – die Lizenz zum Geldanlegen“ entnehmen konnte, legte Ihr Leitsatz „Ein Crash ist gut – für Leute mit Mut“ in Verbindung mit Ihrer „Hoch-Tief-Mut-Strategie“ die entscheidende Grundlage für Ihren Börsenerfolg.

Den Aufbau Ihrer Strategie schildern Sie im „Aktien- und Börsenführerschein“ so: Unternehmen auswählen, die in Zukunftsmärkten aktiv sind

Was verstehen Sie unter Zukunftsmärkten? Könnten Sie drei Beispielmärkte nennen?

Beate Sander: Ich halte Ausschau nach Unternehmen, die das Entdecker- und Erfinder-Gen mit überzeugenden Alleinstellungsmerkmalen erfolgreich umsetzen, wie z. B. die Bausoftware SE Nemetschek, die Labor-Medizintechnik-Firma Sartorius, der Profiküchen-Maschinenbauer Rational.

Exportstark sind

Wie messen Sie die Exportstärke eines Unternehmens? Verwenden Sie hierfür eine Kennzahl, einen prozentualen Wert etc.?

Beate Sander: Ich betrachte die Gesamtentwicklung eines Unternehmens, informiere mich darüber auch im Internet, mit einzelnen Kennzahlen halte ich mich nicht länger auf.

Finanzstark sind

Wie analysieren Sie die Finanzstärke eines Unternehmens? Verwenden Sie hierfür eine Kennzahl etc.?

Beate Sander: Ich vergleiche das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital anhand der Bilanz mit den wichtigsten Aktiv- und Passivkonten.

Fair bewertet sind

Wie beurteilen Sie, ob ein Unternehmen fair bewertet ist?

Beate Sander: Ich schaue mir das KGV im Branchenvergleich an und dazu ebenso die Ergebnisentwicklung pro Aktie im Mehrjahresvergleich.

Und gering verschuldet sind

Was verstehen Sie unter „gering verschuldet“? Ermitteln Sie dies durch eine Kennzahl?

Beate Sander: Bezüglich Verschuldung ist das Geschäftsmodell wichtig. Bei Beteiligungsgesellschaften kann die Verschuldung vor einer Übernahme besonders niedrig, danach auch relativ hoch sein. Ebenso kann die Verschuldung zeitweilig anwachsen, wenn das Produktportfolio erweitert oder in neue Länder investiert wird, ebenso bei neuem Fabrikaufbau usw.

Darüber hinaus sollten die Unternehmen über ein im Branchenvergleich niedriges KGV verfügen.

Beate Sander: Beim Branchenvergleich ist aber auch zu berücksichtigen, dass Premium wie bei den Hotelsternen einen gewissen Aufschlag verdient, z. B. Porsche gegenüber FIAT.

Ein möglichst hoher Buchwert

Was bedeutet für Sie ein möglichst hoher Buchwert? Ab welcher Größe beginnt dies für Sie?

Beate Sander: Bei starken Kurseinbrüchen wie bei den Immobilienaktien im Crash 2008/2009 liegt der Buchwert dann häufig über dem Aktienkurs, was die faire Bewertung unterstreicht. Da immaterielle Werte, Patente usw. hier nicht berücksichtigt werden, geht es hier nur um den Gesamteindruck, um die finanzielle Substanzkraft.

Eine ansehnliche Eigenkapitalquote

Was verstehen Sie unter einer „ansehnlichen Eigenkapitalquote“? Können Sie hier wieder eine Größe nennen?

Beate Sander: Ich orientiere mich nie an irgendwelchen Algorithmen, Mindest- und Höchstwerten. Ich betrachte das Gesamtbild, die Umsatz- und Ertragsentwicklung im Ein-, Drei-, Fünf-, Zehnjahresvergleich. Entscheidend ist der Jahresüberschuss. Die Firma soll wachsen statt schrumpfen. Bei einem Jahresfehlbetrag investiere ich nie bzw. verkaufe ich komplett.

Einen Ergebnisanstieg = Beleg für die Substanzkraft des Unternehmens und nachhaltiges Wirtschaften

Wie hoch sollte der Ergebnisanstieg (prozentual) sein und über welchen Zeitraum hinweg (z. B. 1 Jahr, 5 Jahre etc.) messen Sie diesen?

Beate Sander: Bei den Internetportalen und den Geschäftsberichten erfahre ich die mich interessierenden Eckdaten. Jede sture Fundamentalanalyse lehne ich ab. Auch die Charttechnik dient mir nur als sehr anschauliche, schnelle Orientierungshilfe.

Und auch über eine attraktive Dividendenrendite

Was verstehen Sie unter einer attraktiven Dividendenrendite?

Beate Sander: Ob überhaupt eine Dividende bezahlt wird und wie hoch oder niedrig sie prozentual ist, hängt immer auch von der Branche und der Kursentwicklung ab. Es gibt Dividendenstars, die seit mehr als einem Jahrhundert jedes Jahr die Ausschüttung anheben wie z. B. Amgen, 3M, P&G, McDonalds. Trotzdem kann die prozentuale Dividendenrendite niedrig sein, wenn die Kurse davonspringen. Stürzen dagegen die Kursgewinne ab, wie derzeit bei den Autobauern und Autozulieferern, ist die Dividendenrendite ungewöhnlich hoch, oft zwischen 5 und 10 Prozent.
Sie arbeiten nach der Devise „breit gestreut, nie bereut“ und besitzen nach eigener Aussage („Missionmoney“) mittlerweile Aktien von über 100 börsennotierten Unternehmen. Jeden Kauf und Verkauf dokumentiere ich sorgfältig und genau sofort nach dem durchgeführten Onlinehandel. Ich lege beim Einstieg und Zukauf immer über 1.000 Euro und unter 2.000 Euro an.

Wenn Sie die Aktien nach Ihrer „Hoch­-Tief-Mut-Strategie“ ausgewählt haben, beobachten Sie die Aktien dann in regelmäßigen Abständen? Falls ja, in welchen Abständen (täglich, wöchentlich etc.)?

Beate Sander: Wie oft ich mir die mich interessierenden Aktien genauer anschaue, hängt von der Zeit und Kursentwicklung ab: an ruhigen Tagen wenig, an heftigen Kursbewegungen nach oben und unten, z. B. Leerverkauf, neueste Quartalszahlen usw., gezielt auch öfters. Bei Vortragsreisen und TV-Auftritten konzentriere ich mich allein auf die anstehenden Aktivitäten.

Wie viel Zeit benötigen Sie für die Überwachung Ihres Portfolios pro Tag bzw. pro Woche? (Falls Sie Ihr Portfolio weder täglich noch wöchentlich überwachen, in welchem Abstand überwachen Sie dann Ihr Portfolio?)

Beate Sander: Das ist völlig unterschiedlich, hängt immer von der Kursentwicklung und den übermittelten Daten ab. Bei ETFs und Aktienfonds schaue ich nur gelegentlich, einige Male im Jahr nach, bei für mich interessanten Aktien, geplanten Käufen und Teilverkäufen möglicherweise mehrmals am Tag, sofern ich nicht auswärts unterwegs bin oder lange Börsenseminare halte.

Wie viel Zeit wenden Sie pro Woche für die Börsenthematik auf? (Hier ist die Zeit für das Investieren gemeint; nicht die Zeit, die Sie benötigen, um Bücher zu schreiben und Interviews zu geben etc.)

Beate Sander: Wie gesagt, ich hasse es, stur und unbeweglich bestimmte Zeiten für anstehende Analysen festzusetzen. Der Aktienhandel ist für mich kein Zwang mit genau festgelegten Zeitabschnitten. Bei neuen Aktien, z. B. Börsengängen, informiere ich mich genau und lese alles Wissenswerte. Bei den Werten, die ich schon jahrzehntelang halte, ist dies nicht nötig.

Wie lange benötigen Sie durchschnittlich für die Analyse eines Unternehmens?

Beate Sander: Das ist ganz unterschiedlich. Mit Nebensächlichkeiten halte ich mich nicht auf, sondern konzentriere mich ohne festgelegten Zeitrahmen auf das Wesentliche. Ich treffe wichtige Entscheidungen beherzt, spontan, ohne zu zögern und zu zaudern.

Wie gehen Sie konkret vor, um für Sie passende Unternehmen auszuwählen?

Beate Sander: Hier entscheidet allein der Markt, also auch hier keine sture Vorgangsweise. Die ARD-Börse bietet bei Klick auf Firmennachrichten ganz oben das wesentliche Informationsmaterial, Bilanz, G+V, wichtige Kennzahl, Beteiligungen usw. Der Klick bei ARD-Börse links zeigt bei den wesentlichen Indizes Top und Flop für jeweils 5 Titel. Hinzu kommt ein Blick auf den Langzeitchart, die Marktkapitalisierung, das 52-Wochen-Hoch/Tief usw.

Wie viel Zeit sollte der engagierte Privatanleger, der Ihrer Strategie folgt, pro Woche aufwenden, um eine realistische Chance zu haben, Ihre Rendite zu erzielen?

Beate Sander: Das hängt von der Größe des Portfolios, den noch anzulegenden Reserven, Zeit, Lust, Laune, Wissen und Können ab.

Wann entschließen Sie sich zum Verkauf einer Aktie? Haben Sie hierfür klare Kriterien und falls ja, welche?

Beate Sander: Das aktuelle Markt- und Börsengeschehen, die Nachrichten über einzelne Aktien sind entscheidend.

Wie haben Sie es im Bärenmarkt in den Jahren 2000 bis 2003 geschafft, Ruhe zu bewahren und zu investieren?

Beate Sander: Ein Crash ist gut für Leute mit Mut! Durch Zukauf zu niedrigen Kursen und Finanzierung mit immer wieder angelegten Dividenden bereite ich hier den Boden für künftige Erfolge. Auch in jedem Crash gibt es einzelne Werte nahe dem Jahreshoch, bei denen ich einen Teil verkaufe, um weitere chancenreiche Zukäufe zu finanzieren. Im Crash 2008/2009 stieg ich massiv in Immobilienaktien ein mit hohem Buchwert und niedrigem Börsenkurs. Im Dezember-Technologiecrash 2018 finanzierte ich mit Immobilientiteln nahe dem Jahreshoch die Technologiezukäufe vor allem aus dem Nasdaq 100. Ich vergleiche mich mit einem fachkundigen Gärtner, der zur richtigen Zeit säen und pflanzen muss, um eine richtig gute Ernte einfahren zu können.

Welche sind Ihre drei Toptitel (Aktien), denen Sie in Zukunft das meiste (Kurs-)Potenzial zutrauen? Und wieso?

Beate Sander: Ich setze vor allem auf den demografischen Wandel mit zwei Jahre geschenktem Leben in  einem Jahrzehnt, also 10 Jahre längeres Leben mit 50, 15 Jahre längeres Leben mit 75 Jahren. Davon profitieren Pharma, Biotech, Medtech, z. B. Augen und Ohren lassen im Alter stark nach; Strahlenmedizin ist ebenso wichtig wie Biosimilars und Cannabis-Medizin. Deshalb bin ich ganz früh eingestiegen bei Carls Zeiss Meditec, Eckert & Ziegler, Dermapharm und Varta. Außerdem investiere ich nun bevorzugt in Künstliche Intelligenz, auch in Wasserstoff und nachhaltige Aktien im Kampf gegen den Klimawandel.

Was ist die eine Sache, die am meisten zu Ihrem Börsenerfolg beigetragen hat?

Beate Sander: An erster Stelle nenne ich meine Disziplin, Konsequenz, Leidenschaft, Begeisterung, wo die Menge der Arbeitszeit keine Bedeutung mehr hat. Ohne meine Erfindung Hoch/Tief-Mutstrategie, ständig verfeinert und weiter ausgebaut, wäre ich keine Millionärin. Sie baut auf breit gestreut langfristige Anlage – nur Teilverkäufe bei den Kursgewinnraketen und Dividendenstars.

Ihr Wunsch für Ihre Zukunft?

Beate Sander: Ich möchte viel für die Aktienkultur tun und Jung und Alt davon überzeugen: Weg mit dem Sparbuch! Hin zu Aktien! Keine dröge Erbsenzählerei, sondern innovatives, situatives Handeln mit viel Freiraum, ohne ein einengendes Korsett!

Vielen Dank für das Interview, Frau Sander!

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One Comment

  1. Sehr sehr interessanter Beitrag und gut zusammengefasst. Und bezüglich Frau Sander: Da freuen sich die Erben 🙂

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