Benjamin Graham – Warren Buffetts Mentor

Benjamin Graham – Warren Buffetts Mentor

 

Wer war Benjamin Graham?

Benjamin Graham gilt als Vater des Value Investings. Er wurde vielen Anlegern durch seinen besten Schüler, den amerikanischen Selfmade-Milliardär und erfolgreichsten Investor aller Zeiten Warren Buffett, bekannt.

Benjamin Graham war von kleiner Statur. Er hatte eine Leidenschaft für Kunst und Wissenschaft, füllte ganze Notizbücher mit Erfindungen, hörte Opern und las Proust auf Französisch.

Sein erfolgreichster Schüler Warren Buffett interessierte sich für nichts von alledem.
Als große Gemeinsamkeit verband die beiden die Welt der Börse.

Die Analyse

Graham entwickelte eine Analysemethode, mit deren Hilfe es möglich ist, den Wert von Unternehmen und somit den Wert einer einzelnen Aktie (Aktie = ein Unternehmensanteil) zu berechnen. Diese Berechnung ermöglicht es festzustellen, ob eine Aktie unter, über oder zum „fairen“ Wert gehandelt wird.

Der Anleger sollte die Unterbewertung ausnutzen, indem er Aktien unter Wert erwirbt und diese veräußert, wenn sie ihren fairen Wert erreicht haben. Denn schließlich wird jede Aktie wieder ihren fairen Wert erreichen. So Graham.

Benjamin Graham – Kindheit und frühes Erwachsenenalter

Benjamin Graham (Geburtsname Benjamin Grossbaum), der jüdischer Abstammung war, wurde am 9. Mai 1894 in London geboren. Im Alter von einem Jahr zog er mit seiner Familie nach New York.
Aufgrund des Ersten Weltkriegs wurde deutsch klingenden Namen mit Skepsis begegnet. Deshalb änderte die Familie den Namen von Grossbaum in Graham.
Als der Vater starb, verarmte die Familie.
Benjamin Graham schloss sein Studium an der Columbia University in New York bereits im Alter von 20 Jahren als Jahrgangszweiter ab.
Ein Angebot, an der Columbia University zu lehren, lehnte er ab.
Er wollte an die Wall Street.

Benjamin Graham und die Wall Street

Durch die Empfehlung seines Dekans bekam er einen Job beim Brokerhaus Newburger, Henderson & Loeb. Sein Gehalt, das er als Laufbursche verdiente, betrug 12 Dollar pro Woche.

Nach mehreren beruflichen Stationen (er notierte in einem Büro Kurse, war Statistiker und arbeitete im Auftrag einiger Finanziers) machte sich Graham selbstständig. Er gründete die Benjamin Graham Joint Account.
Jerome „Jerry“ Newman, der Bruder eines Kunden, kam kurz darauf auf Graham zu: Er wolle sein Geschäftspartner werden und ohne Gehalt für die Firma arbeiten. Graham willigte ein, bestand allerdings darauf, ihm ein Gehalt zu bezahlen. Jerry Newman brachte sein Wirtschaftswissen und seine Managementfähigkeiten in die Partnerschaft ein.

Der Börsencrash von 1929 und die anschließende Weltwirtschaftskrise trugen dazu bei, dass das für seine Investoren verwaltete Kapital von 2,5 Millionen Dollar auf 375.000 Dollar schrumpfte.
Graham übernahm dafür die Verantwortung und wollte die Verluste für seine Partner wieder „aufholen“. Allerdings galt es, zuerst die Firma zu retten.
Dies war mit der Hilfe von Jerry Newmans Schwiegervater möglich. Er rettete die Firma, indem er 50.000 US-Dollar in das Unternehmen investierte.

Warren Edward Buffett wird am 30. August 1930 in Omaha im US-Bundesstaat Nebraska geboren.

Bis zum Jahr 1935 hatte Benjamin Graham das Geld vervielfacht und die Verluste „aufgeholt“.

1936 teilten Benjamin Graham und Jerry Newman das Gemeinschaftskonto aus steuerlichen Gründen auf zwei gesonderte Firmen auf. Die Graham-Newman Corporation und Newman & Graham.
Die Graham-Newman Corporation hatte Aktien ausgegeben und verlangte eine fixe Gebühr.
Newman & Graham war ein Hedgefonds, bestehend aus einer Partnerschaft mit einigen erfahrenen Teilhabern. Diese Teilhaber bezahlten Benjamin Graham und Jerry Newman nach ihrer Performance, die sie als Fondsmanager erbrachten.

Wie Warren Buffett auf Benjamin Graham aufmerksam wurde

Warren Buffett besuchte regelmäßig die Bibliotheken seiner Heimatstadt und durchforstete sämtliche Bücher über Aktien und Investments.
Buffett wollte ein System zur Aktienauswahl, das zuverlässig funktionierte. Eines Tage stieß er auf Benjamin Grahams Werk „The Intelligent Investor“.
Wie der autorisierten Biografie von Warren Buffett „Das Leben ist wie ein Schneeball“ zu entnehmen ist, las Buffett dieses Buch immer wieder.

Buffett tätigte zu dieser Zeit nach eingehender Beschäftigung mit der Lektüre und klugem Nachdenken selbst ein Investment nach Value-Kriterien.

Buffetts Studienzeit an der University of Nebraska näherte sich dem Ende. Buffett änderte sein bisheriges Vorgehen. Er hatte bisher für eine formale Ausbildung nicht viel übrig – die University of Nebraska besuchte er nur auf Wunsch seines Vaters. Er bewarb sich als Student an der Harvard University. Denn Harvard bot ihm zwei wichtige Dinge: Prestige und Kontakte.
Buffett vertraute beim Vorstellungsgespräch in Harvard auf sein Wissen über Aktien. Allerdings hatte er keine Chance, dieses Wissen zu demonstrieren. Harvards Mission bestand darin, zukünftige Führungskräfte zu rekrutieren. Buffett wurde aufgrund seiner zum damaligen Zeitpunkt nicht gefestigten Persönlichkeit von Harvard abgelehnt.
Er machte sich sofort über das Studium an anderen Universitäten kundig.
Beim Lesen einer Broschüre über die Columbia University stieß er auf zwei Namen, die ihm bekannt waren: Benjamin Graham und David Dodd.

David Dodd war der Co-Autor der Abhandlung „Geheimnisse der Wertpapieranalyse“. (Dies gilt als Standardwerk über das Investieren in Wertpapiere. Anders als „Intelligent Investieren“ wurde dieses Werk von Benjamin Graham und David Dodd für den professionellen Anleger geschrieben.)

Buffett bewarb sich mit einem persönlich gehaltenen Schreiben an der Columbia University und wurde aufgenommen.

Im Jänner 1951 besuchte Buffett das erste Seminar bei Benjamin Graham.
Der Raum war klein, es befanden sich neben Benjamin Graham ungefähr zwanzig Männer im Saal.
Etwa die Hälfte waren Kriegsveteranen oder Geschäftsleute, die am Seminar teilnahmen, die andere Hälfte waren Studenten der Columbia University.
Warren Buffett war zwar der jüngste Teilnehmer des Seminars, verfügte aber über das größte Fachwissen.
Stellte Graham Fragen, dann hob Buffett als Erster den Arm und begann zu reden.
So entstand während des Seminars ein lebhafter Dialog zwischen Graham und Buffett. Dies sollte während Buffetts gesamter Studienzeit so bleiben.
Buffett kristallisierte sich schnell als bester Schüler Grahams heraus.

Benjamin Graham und sein Verhältnis zu Frauen

Graham war dreimal verheiratet.
Seine erste Frau war die Lehrerein Hazel Masur.
Seine zweite Frau Carol Wade war ein Broadway-Showgirl, das 18 Jahre jünger als Benjamin Graham war.
Grahams dritte Frau, seine ehemalige Sekretärin Estelle „Estey“ Messing, war eine intelligente und fröhliche Frau.
Nach dem Tod seines Sohnes begann Graham eine Affäre mit dessen Freundin Malou Marie Louise Amingues. Grahams Liebesleben war von zahlreichen weiteren Affären geprägt.
Buffet hingegen fiel es schwer, mit Frauen in Kontakt zu treten.
„Niemand war Mädchen gegenüber schüchterner als ich. Und ich habe das kompensiert, indem ich redete wie ein Wasserfall.“ So Buffett.
Er hatte große Angst, Frauen anzusprechen. Diese Angst überwand er erst nach und nach.
Den entscheidenden Durchbruch erzielte er, als er einen Dale-Carnegie-Kurs besuchte und das dort Gelernte anwandte: Er fragte seine Freundin Susan Thompson, ob sie ihn heiraten wolle. Sie sagte: „Ja“.

Warren Buffett lernt Walter Schloss kennen

Als Buffett die Hauptversammlung von Marshall-Wells, einem Werkzeug- und Haushaltsgeräte- Großhändler besuchte, lernte er Walter Schloss, einen Mitarbeiter von Benjamin Graham, kennen.
Dieser wiederum kannte Benjamin Graham aus dessen Vorträgen am New York Institute of Finance.
1927 – in der allgemeinen Aktienhysterie – begann Graham mit seinen Vorträgen. Sie sollten als Testlauf für eine Vortragsreihe an der Columbia University dienen.
Im Jahr 1928 begann Benjamin Graham, an der Columbia University zu lehren.

Benjamin Graham und seine Studenten

Grahams Studenten nahmen seine Analysemethode auf zwei unterschiedliche Arten auf.
Die einen waren begeistert. Den anderen war diese Methode zu umständlich, weil die Analysen mit intensiven Recherchen verbunden waren.

Benjamin Graham gab den Schwankungen an der Börse ein Gesicht

Er erschuf die fiktive Person des Mister (Mr.) Market.
Mr. Market ist ein manisch-depressiver Mensch, der jeden Tag Aktien zum Kauf und zum Verkauf anbietet. Die Kauf- und Verkaufskurse von Mr. Market ergeben meist keinen Sinn. Wichtig ist es, so Graham, sich nicht von den Launen des Mr. Market beeinflussen zu lassen und Aktien billig zu kaufen und teuer zu verkaufen. Ob Aktien teuer oder billig sind lässt sich mit einer Analyse feststellen.

Als sich Buffetts Studienzeit bei Benjamin Graham dem Ende neigte, setzte sich Buffett ein Ziel: Er wollte für Graham-Newman arbeiten. Er bewarb sich und bot an, kostenlos zu arbeiten. Benjamin Graham sagte nur: „Schau mal, Warren, an der Wall Street stellen die großen Investmentbanken immer noch keine Juden ein. Wir können hier nur sehr wenige Leute beschäftigen, und daher stellen wir ausschließlich Juden ein.“ – Das verstand Buffett. „Denn in den 1950er-Jahren gab es noch sehr viele Vorurteile gegen Juden“, so Buffett.

Nach Abschluss der Studien an der Columbia University kehrte Buffett nach Omaha zurück.
Da Buffett nicht für Graham-Newman arbeiten konnte, beschloss er, in Omaha im Brokerunternehmen seines Vaters Aktienbroker zu werden.

Im Alter von 21 war Buffett von seinen Kompetenzen als Investor überzeugt. Dennoch beriet er sich bei seinen Investmentscheidungen mit seinem Vater und Benjamin Graham.

Eine der wichtigsten Entscheidungen für Buffetts emotionale Unabhängigkeit in Bezug auf Investmententscheidungen war, sich gegen die Meinung seines Vaters, Howard Buffett, und die seines Mentors Benjamin Graham zu stellen. Buffett entschied sich trotz Abraten seines Vaters und Grahams dafür, weiterhin in Aktien zu investieren. Graham und Howard Buffett hielten den Markt für überbewertet.
Warren Buffett dazu: „Manchmal ist der Markt extrem überbewertet, aber damals war das Gegenteil der Fall. Ich hatte mir etliche Unternehmen angeschaut und sah keinen Grund, warum man deren Aktien nicht kaufen sollte.“

Briefverkehr mit Benjamin Graham

Über den Zeitraum von 2 Jahren herrschte zwischen Buffett und Benjamin Graham reger Briefverkehr.
Buffett reiste regelmäßig nach New York, um Graham-Newman zu besuchen.
„Ich habe immer versucht, mich mit Mr. Graham zu treffen. Ich ließ einfach nicht locker“, so Buffett.
Schließlich schrieb ihm Graham, er würde den Job bekommen.
Buffett dazu: „Es fühlte sich so an, als ob ich auf Gold gestoßen wäre.“

Buffett zog mit seiner Familie (seine schwangere Frau Susan, genannt Susie, geborene Thompson, die er 1952 geheiratet hat, und seine Tochter Susan „little Susie“) nach New York.

Buffett war so aufgeregt, dass er bereits einen Monat vor seinem offiziellen Arbeitsbeginn (dieser wäre Anfang September 1954 gewesen) nach New York fuhr und im Büro von Graham-Newman vorstellig wurde. Dort erfuhr er, dass Benjamin Grahams Sohn Newton II. (26) eine Woche zuvor (Ende Juli 1954) Suizid begangen hatte.

Benjamin Graham und das Team

Das Team von Benjamin Graham bestand aus 8 Personen: Benjamin Graham, Jerry Newman, dessen Sohn Mickey Newman, Bernie Warner, Walter Schloss, zwei Sekretärinnen und seit Kurzem auch Warren Buffett.

Walter Schloss beschrieb einen durchschnittlichen Arbeitstag bei Graham-Newman so: „Wir schlugen bestimmte Dinge nach und lasen. Wir blätterten durch den Standard & Poor’s oder durch eine Ausgabe von Moody’s Manual und nahmen Unternehmen unter die Lupe, die unter Wert verkauft wurden. Davon gab es viele.“

Buffett blieb eine Begebenheit während seiner Tätigkeit für Graham-Newman ganz besonders im Gedächtnis: „Wir haben einmal auf einen Aufzug gewartet. Wir hatten vor, in der Cafeteria unten im Chanin Building an der 42nd Street in Manhattan zu essen. Und Ben sagte zu mir: ,Merke dir eines, Warren: Geld hat nicht viel Einfluss darauf, wie du und ich leben. Wir gehen beide runter in die Cafeteria, um dort zu Mittag zu essen, arbeiten jeden Tag und haben Spaß. Mach dir darum nicht zu viele Sorgen um Geld, weil es kaum einen Einfluss drauf nimmt, wie du lebst.‘“

Doch für Buffett hatte Geld und das Ansammeln von Geld einen äußerst hohen Stellenwert.

Benjamin Graham und die Rendite

Benjamin Graham schnitt über 23 Jahre um 2,5 % besser als der Gesamtmarkt ab.
Das sind gesamt 65 % mehr als die durchschnittliche Marktperformance während dieses Zeitraums.
Er erzielte diese Rendite, indem er bedeutend weniger Risiko einging, als wenn er in den Markt als Gesamtes investiert hätte.

Anfang 1956 verlor Benjamin Graham das Interesse an Aktien und richtete seinen Fokus auf sein Privatleben. Er war 62 Jahre alt und wollte nach Kalifornien ziehen, um das Leben zu genießen. Auch Jerry Newman wollte in Pension gehen. Sein Sohn Mickey blieb im Unternehmen.
Im Frühjahr 1956 teilte Benjamin Graham seinen Partnern seine Entscheidung mit. Allerdings bot er Buffett an, Teilhaber am Unternehmen zu werden und es gemeinsam mit Jerry Newmans Sohn Mickey zu führen. Buffett lehnte ab: „Wäre ich geblieben, wäre ich eine Art neuer Ben Graham und Mickey der neue Jerry Newman gewesen – aber Mickey hätte weit über mir gestanden. Der neue Name wäre Newman-Buffett gewesen.“

Buffet zog mit seiner Familie (seine Frau Susie, seine Tochter Susan „little Susie“ und sein Sohn Howard (dieser wurde in der Zeit, als Buffett mit seiner Familie in New York lebte, geboren)) wieder nach Omaha.

Wie Warren Buffett Benjamin Grahams Investmentstrategie weiterentwickelte

Hatte Benjamin Graham grundsätzlich von jedem Unternehmen Aktien erworben, die seiner Strategie entsprachen, so begann Buffett, sich auf Unternehmen zu konzentrieren, die eine hohe Qualität aufwiesen (ehrliches Management, Marktführer in der jeweiligen Branche, hohe Margen usw.). Diese Methode – basierend auf Phil Fischer – wurde Buffett von seinem Kompagnon Charles „Charlie“ Munger nähergebracht.

Während Graham im Ruhestand weilte, arbeitete Buffett unermüdlich. Er verwaltete Geld, investierte es und beschaffte neues.

Benjamin Graham genoss seine Pension. Er starb am 21. September 1976 im Alter von 82 Jahren in Aix-en-Provence, Frankreich.

Quellenangabe
Alle Zitate aus der Buffett Biografie „Das Leben ist wie ein Schneeball“, Autor: Alice Schroeder, erschienen im Finanzbuch Verlag, 1. Auflage 2009.

 

There are no comments yet, add one below.

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

*